Am 4. Juni 2016 finishten Alexander Girkinger (Caperucita Roja = Rotkäppchen) aus Molln und LAC Neuzugang Peter Müller (La Gamuza = Die Gams, https://www.facebook.com/La-Gamuza-1648964512058295/) aus Eugendorf bei Salzburg die rund 48 Kilometer mit einer Höhendifferenz von 2800hm+ beim Marathon Trail des 2. Hochkönigman in Maria Alm im Salzburger Pinzgau.
Die Veranstaltung (getragen von Thomas Bosnjak, der Austrian Trailrunning Association ATRA und den Partnern der Hochkönigregion) mit Ausgangspunkt Maria Alm am Steinernen Meer (800m) im Salzburger Pinzgau umfasste insgesamt vier spannende Trailrunning-Bewerbe. Am 03.06.2016 ein Hindernis Fun Run und am 04.06.2016 der Speed Trail (23,57km, 1441hm+, Start um 10:00 Uhr), welchen Alexanders Freundin Marita erfolgreich in 04:44:18 (46. Rang) absolvierte, der Marathon Trail (46,94km, 2751hm+, Start um 08:00 Uhr, der gleichzeitig die Österreichische Meisterschaft im Marathon Trail austrug) und der Endurance Trail (84,24km, 4916hm+, Start um 00:00 Uhr).
Nach tagelanger Betrachtung der Wetterlage und die für Nachmittag angesagten Gewitter am Race-Day fanden wir (Alex und Peter=Pedro) uns beim verpflichtenden Race-Briefing um 07:00 Uhr im Hotel Niederreiter ein. Kurz darauf ging es endlich los. Nach der Gepäckskontrolle bezogen wir Position im vorderen Bereich des hinteren Drittels und blickten noch einmal Richtung Himmel, um die Wetterlage abzuschätzen. Es war bewölkt, hatte perfekte 8°C und zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Sonne zumindest während der ersten Hälfte unseres mehrstündigen Laufes die Oberhand behalten würde.
Eröffnung mit Sturz
Nach dem Startsignal um 08:00 Uhr legten wir den ersten Streckenabschnitt entlang Forststraßen und Single-Trails auf den 1200 Meter hohen Natrun (Maria Alms Hausberg) zurück. Kurz nach den ersten Höhenmetern Forststraße ging es entlang reizender aber doch nasser Trails vorbei an der Jufenalm und dem Brimbachkögerl hinunter nach Hinterthal (1016m). Nur wenige Meter hinter Alexander Girkinger liegend musste ich bei Kilometer 8 nach einem schweren Sturz auf den Brustkorb, im flachen Gelände und kurz vor der 1. Verpflegungsstation, kurz innehalten. Zwischen Brust und Boden befanden sich mein rechter Arm und der untere Rand meiner Trinkflasche, welche im Brustbeutel meines Trail-Rucksacks befestigt war. Nach zu Beginn stechenden Schmerzen im rechten Brustkorb begann ich abzuschätzen, ob die nächsten 40 Kilometer in teils hochalpinem Gelände bewältigbar sind, oder eine verfrühte Aufgabe sinnvoller wäre. Die Rennorganisation beinhaltete zwar BergretterInnen entlang der Strecke und eine ausgeklügelte Rettungskette, aber eine Bergung wäre nur im äußersten Notfall zu bewerkstelligen und bei LäuferInnen ohne Versicherung bzw. Alpenvereinsmitgliedschaft mit höheren Kosten verbunden. In meinem Fall traf dies alles nicht zu, aber in meinem Kopf spielte ich mit den Gedanken, dass laut Reglements jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin nach Rennabbruch selbst für den Rücktransport nach Maria Alm verantwortlich ist. Desweiteren bestand auch die Verpflichtung Erste-Hilfe-Materialien, gewisse Kleidungsstücke (Regenjacke mit mindestens 10.000mm Wassersäule, Haube, Handschuhe), eine Trillerpfeife und Behältnisse für 1 Liter Flüssigkeit mitzuführen. Doch trotz mentaler Zweifel und aller Umstände kam alles ganz anders.
Im zweiten Streckenabschnitt ging es vorbei an der Auer Alm und Mußbachalm hinauf auf gut 1400m und über rutschige Wiesen, gatschige Single-Trails und vorbei an widerkäuenden Kühen hinunter Richtung Filzensattel (1290m) und die Alm Almhäusl. Alex, einige „Stunden“ vor Beendigung seines wahrscheinlich längsten und anstrengendsten Laufes, gab immer noch das Tempo vor und pace-te trotz Versuchen meinerseits, das Tempo etwas zu reduzieren, bis zur 2. Verpflegungsstation bei Kilometer 18 in Dienten am Hochkönig (1071m), ausgesprochen „Deantn“, Heimat der Ex-Skirennläuferin Marlies Schild. Kurz vor der Labestation mussten wir den Stiegenaufgang im Inneren der Gondelstation hinunterlaufen, ein nettes Detail der Veranstalter. Nachdem wir unsere beiden am Trailrucksack montierten Halbliterflaschen auffüllten, und uns an den selbst mitgebrachten Pulvern, Gels und Müsliriegeln sowie an den angebotenen Bananen, Wassermelonen, Orangen, Schwarzbrotscheiben, Käsestreifen und Hartwurststücken labten (letztere sind nicht zu empfehlen), ging es weiter. Mich plagten immer noch die Zweifel, ob ich das Rennen fertiglaufen kann, obwohl die Schmerzen etwas nachließen. Durchbeißen schien ab jetzt die Devise zu sein und ich konzentrierte mich auf meine Technik, die Atmung, und die Verfolgung und Kontaktaufnahme mit Rotkäppchen. Wir haben beide schon so viel gemeinsam durchgemacht, dass wir uns diese Finisher-Medaille verdient hätten, am schönsten wäre es, wir pushen uns gegenseitig bis zum Schluss und laufen gemeinsam ein.
Der dritte Streckenabschnitt beinhaltete den höchsten Anstieg der ganzen Runde und ein folgendes Auf und Ab in hochalpinem Gelände auf über 2000 Metern. Die Regen- und Gewitterwolken rückten bedrohlich näher, und abhängig vom Gelände wechselten sich dampfige Hitze/Schwüle, kurze Regenschauer und kalte Windböen ab. Zuerst ging es auf Asphalt und danach auf Forststraßen Richtung Grüneggalm, danach auf Single-Trails auf das Grünköpfel (1709m) und den beliebten Skitourenberg Klingspitz (1988m). Wir passierten die ersten Schneefelder und nach und nach eröffnete sich uns das eindrucksvolle Panorama mit Blick auf die umliegenden sanften aber doch hochalpinen Grasberge und den dahinter liegenden massiven Hochkönig und das Steinerne Meer. Mit unseren grünen Dressen schienen wir wortwörtlich mit der Landschaft zu verschmelzen und obwohl Alex einen leichten Vorsprung hatte, trafen wir uns am Gipfel des Klingspitz und nach dem mit Abstand steilsten Anstieg wieder. Nach einem kurzen Plauscherl mit den beiden Kollegen von der Bergrettung übernahm ich die Tempovorgabe/das Pacing und es ging weiter bergab und bergauf Richtung Hochkasern (2017m), danach weiter Richtung Statzer Haus, wo sich die 3. Verpflegungsstation bei Kilometer 32 befand und wir mit Anfeuerungen von den BetreuerInnen empfangen wurden. Vor dem Statzer Haus gab es noch die Möglichkeit, an Wasserkanistern die Trinkflaschen aufzufüllen, ein weiteres geniales Detail der Veranstalter. Bis hierher konnten wir bereits einige MitbestreiterInnen überholen, einige hängten sich an, und es gab auch ein paar interessante Schneefelder mit extra befestigter Verseilung und geschlagenen Stufen zu überqueren. Ich rauschte verfrüht vom Statzer Haus ab, da während der mehrminütigen Pause der kalte Wind meine Rippen belastete. Außerdem war ich mir sicher, dass Alex alsbald wieder mit mir gemeinsam laufen würde. Mit Unterstützung der leichten Stöcke und hoher Euphorie gab ich das Tempo während des doch steilen Abstieges vor und sofort folgte ein erneuter Anstieg zum Schönwieskopf (1995m). Dieses Auf und Ab bewegte sich in der Größenordnung von 100-200 Höhenmetern. Dabei ergab sich zum ersten Mal ein Blick auf den Nationalpark Hohe Tauern, den Zeller See, Zell am See, als auch die Möglichkeit, mit anderen LäuferInnen, die sich unserem Pace anpassten, zu quatschen. Weiter ging es bergauf und bergab Richtung Schwalbenwand (2011m). Bald war klar, der letzte Abstieg und die letzte und 4. Verpflegungsstation sind nah.
Gemeinsam gelaufen, gemeinsam ins Ziel
Der vierte Streckenabschnitt bei Kilometer 37 beinhaltete 10 Kilometer und circa 1200hm- downhill hinunter zum Startbereich in Maria Alm. Leichter gesagt als getan. Vorbei an der letzten Labestation übernahm Alex wieder das Pacing und daraus wurde auf den letzten 4 Kilometern und durch seine finale Motivation fast ein 5 Minuten-Kilometerschnitt. Dennoch wollte der bereits von Weitem sichtbare Kirchturm von Maria Alm einfach nicht näherkommen. Obwohl ich vor allem bergab mit den Schmerzen in meinen Rippen und bei der Atmung kämpfte, überquerten wir beide gemeinsam die Ziellinie nach 07:47:32 Stunden und auf dem 70. Gesamtrang unter allen männlichen Teilnehmern. Eine unglaubliche Erfahrung, vor allem aufgrund der vielen gemeinsam erlebten Ups und Downs, aufgrund der Impressionen und gemachten Bekanntschaften auf der Strecke, aufgrund der gegenseitigen Motivation und des Zusammenhalts und letztlich der perfekten Organisation der Veranstalter. Vielen Dank an alle Beteiligten!!!
Nebenbei sei angemerkt, dass dieser Wettbewerb zur Vorbereitung des Traunsee Bergmarathons am 02. Juli 2016 mit 70km und 4800hm+ gegolten hat, welchen Alex und ich erfolgreich absolvieren wollen. Wohlgemerkt, der Hochkönigman war nicht die einzige Vorbereitung 🙂